Beweispflicht: Wer muss was beweisen?
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Kläger oder Beklagter: Wer ist vor Gericht beweispflichtig? Diese Frage lässt sich nicht so einfach beantworten. Zum einen kommt es auf die Art des Verfahrens an, zum anderen kann sich die Beweispflicht auch je nach den zu beweisenden Tatsachen unterscheiden. Dieser Ratgeber gibt Ihnen einen Überblick über die Beweislast im deutschen Recht in den verschiedenen Verfahrensarten.
Was versteht man unter der Beweislast?
Die Beweislast bestimmt, wer in einem Gerichtsverfahren die behaupteten Tatsachen zu beweisen hat. Je nach Verfahrensart – also Zivil-, Straf- oder Verwaltungsverfahren – gelten unterschiedliche Grundsätze für die Beweispflicht. Bleibt eine Tatsache unaufklärbar, kann sie also nicht bewiesen werden, spricht man im Beweisrecht vom „non liquet“. Beim non liquet verliert die beweisbelastete Partei den Prozess.
Die umgekehrte Beweispflicht (Beweislastumkehr)
Die allgemeinen Regeln über die Beweispflicht können in bestimmten Fällen auch umgekehrt werden. Man spricht dann von einer Beweislastumkehr.
Ein Beispiel aus dem Zivilrecht findet sich in § 280 Absatz 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB):
Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
Durch die Formulierung „dies gilt nicht“, wird das Vertretenmüssen des Schuldners vermutet. Der Gläubiger muss also nicht mehr beweisen, dass der Schuldner die Pflichtverletzung zu vertreten hat, sondern der Schuldner muss beweisen, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
Enthalten Rechtsnormen also Formulierungen wie „es sei denn“ oder „das gilt nicht“, deutet das auf die Umkehr der Beweispflicht hin. Ausdrückliche Regelungen einer Beweislastumkehr finden sich darüber hinaus unter anderem in folgenden Normen: § 363 BGB, § 477 BGB, § 2336 Absatz 3 BGB und § 3a Absatz 2 EStG.
Keine Fälle der Beweislastumkehr sind jedoch tatsächliche Vermutungen und Anscheinsbeweise. In diesen Fällen kann die Vermutung für das Vorliegen einer bestimmten Tatsache nämlich erschüttert werden. Dann ist die beweisbelastete Partei weiterhin in der Pflicht, den Beweis zu erbringen.
Die Beweislast im Zivilprozess
Im Zivilprozess stehen sich Privatpersonen gegenüber. Es gilt der Beibringungsgrundsatz. Jeder muss seine Behauptungen, also die für ihn günstigen Tatsachen, beweisen. Den Kläger trifft somit die Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen, den Beklagten für die anspruchsvernichtenden und anspruchshindernden Tatsachen.
Vereinfacht kann man sich merken: Was Ihnen nützen soll, müssen Sie auch beweisen. Dabei kommt es darauf an, dass die behaupteten Tatsachen zur vollen Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden. Es muss also der Vollbeweis geführt werden.
Beispiel: Beweislast bei Schimmel in der Mietwohnung
In einem Prozess wegen Schimmelbefalls in einer Mietwohnung stehen sich Vermieter und Mieter als Parteien gegenüber. Dabei muss zunächst der Mieter das Vorliegen eines Mangels in Form von Schimmelbefall beweisen. Anschließend ist es am Vermieter zu beweisen, dass kein baulicher Mangel für die Schimmelbildung verantwortlich ist. Nur wenn dem Vermieter dieser Beweis gelingt, liegt es wieder am Mieter zu beweisen, dass der Schimmel nicht durch ein Fehlverhalten seinerseits (falsches Heizen oder falsches Lüften) verursacht wurde.
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Beispiel: Beweislast bei Gewährleistung wegen mangelhafter Ware
Behauptet ein Käufer, eine Ware sei mangelhaft, und macht deshalb Gewährleistungsansprüche geltend, muss er nach dem oben Genannten grundsätzlich beweisen, dass der Mangel vorliegt – und zwar auch, dass er bereits bei Gefahrübergang vorhanden war. Unter Gefahrübergang versteht man die Übergabe der Sache durch den Händler an den Käufer beziehungsweise beim Versendungskauf an das Logistikunternehmen. Zu beweisen, dass die Sache also bereits vor dem Transport mangelhaft war, gestaltet sich für den Käufer in der Regel schwierig.
Aus diesem Grund wurde für den Fall eines Verbrauchsgüterkaufs – also eines B2C-Geschäfts, bei dem ein Unternehmer an einen Verbraucher verkauft – in § 477 BGB eine Beweislastumkehr eingeführt. Danach wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn sich der Mangel in den ersten zwölf Monaten nach Gefahrübergang zeigt. Der Verkäufer muss nun beweisen, dass die Sache bei Gefahrübergang mangelfrei war. Der Käufer muss nur beweisen, dass ein Kaufvertrag vorliegt, dass es sich auch um einen Verbrauchsgüterkauf handelt und dass sich der Mangel innerhalb von zwölf Monaten nach Gefahrübergang gezeigt hat.
Die Beweislast im Strafprozess
Im Strafprozess steht der Staat als Kläger einer Privatperson gegenüber. Es gilt der Amtsermittlungsgrundsatz. Das bedeutet, dass es Aufgabe der Staatsanwaltschaft und später des Gerichts ist, den Sachverhalt zu ermitteln und den Tatvorwurf zu beweisen.
Bis dahin gilt der Grundsatz „in dubio pro reo“ (übersetzt: im Zweifel für den Angeklagten). Das heißt, dass es zu keiner Verurteilung kommen darf, solange die Schuld nicht bewiesen wurde. Maßstab ist hier, dass keine Zweifel des Gerichts bestehen bleiben dürfen. Im Strafprozess liegt die Beweislast also nie beim Angeklagten. Ihm steht jedoch gemäß § 244 Strafprozessordnung (StPO) ein Beweisantragsrecht zu.
Die Beweislast im Verwaltungsprozess
Im Verwaltungsprozess gilt wie im Strafprozess auch der Amtsermittlungsgrundsatz. Es ist somit Aufgabe des Gerichts, den Sachverhalt zu ermitteln. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts genügt für die Überzeugung des Gerichts die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass eine Annahme zutrifft. Eine absolute Gewissheit ist nicht erforderlich.
Das Gericht darf und muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. (BVerwG 8 B 70.12)
Geht also die öffentliche Hand im Verwaltungsprozess gegen einen Privaten vor, gibt es keine gesetzliche Regelung der Beweislast. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall der Eingriffsverwaltung. Dort werden die Beweislastgrundsätze des Zivilrechts übertragen. (VG Hamburg, Urt. v. 10.11.2020 – 20 K 1515/17, unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 23.05.1962 – VI C 39.60 und Urt. v. 25.03.1964 – VI C 150.62)
Unter der Eingriffsverwaltung versteht man eine Form der Verwaltung, die in die Rechtssphäre des Bürgers eingreift, indem sie seine Freiheiten oder sein Eigentum durch Verpflichtungen oder Belastungen beschränkt. Beispiele für die Eingriffsverwaltung sind Gewerbeverbote, Abrissverfügungen oder Enteignungen.
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Beispiel: Beweislast bei Abrissverfügung
Die Behörde ist der Ansicht, dass es sich bei dem Schuppen des Bürgers um ein rechtswidriges Gebäude handelt, und will daher eine Abrissverfügung erlassen. In diesem Fall muss die Behörde beweisen, dass der Schuppen auch tatsächlich baurechtswidrig ist.
Welche Beweismittel sind zulässig?
Es ist zwischen dem Strengbeweisverfahren und dem Freibeweisverfahren zu unterscheiden. Im Strengbeweisverfahren geht es um die Tatsachen, auf denen das Urteil letztlich beruht. Da es also für die Urteilsfindung entscheidend ist, unterliegt das Verfahren strengeren Anforderungen. Daher sind nur die gesetzlich normierten Beweismittel zulässig.
Im Zivilverfahren sind das:
Augenschein
Zeugen
Sachverständigengutachten
Urkunde
Parteivernehmung
Im Strafverfahren sind es:
Vernehmung von Zeugen
Sachverständige
Urkunden
Augenschein
Im Freibeweisverfahren geht es um Prozessvoraussetzungen und Verfahrensfragen. Auch hier muss das Gericht von der Richtigkeit überzeugt werden. Es kann sich dazu aber aller Beweismittel bedienen und ist nicht an die Beweismittel der jeweiligen Prozessordnung gebunden. So kann das Gericht beispielsweise einen Zeugen telefonisch vernehmen.
Im Verwaltungsrecht gibt es weder im Verwaltungsverfahren noch im Verwaltungsprozess eine Beschränkung auf bestimmte Beweismittel. Zulässig sind alle Beweismittel, die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen.
(PBI)
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