Verwaltungsgerichtshof München: Das Fahren fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge kann nicht verboten werden.
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Die Fahrerlaubnisbehörden können bei Fahrungeeignetheit kein Fahrverbot für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge wie Fahrräder oder E-Scooter verhängen. Insbesondere § 3, Abs. 1, Satz 1 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) könne nicht herangezogen werden, so der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München, der damit der behördlichen Verbotspraxis entgegentrat (VGH München, Urteil vom 17.04.2023 - 11 BV 22.1234). Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
§ 3, Abs. 1, Satz 1 FeV zu unbestimmt.
Die Regelung lasse weder für sich allein noch im Zusammenhang mit anderen Vorschriften erkennen, wann eine Person zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ungeeignet sei und wie man dies feststellen müsse. Anders als für das Führen von fahrerlaubnispflichtigen (Kraft-)Fahrzeugen gebe es hierfür keine ausreichenden Hinweise aus dem Gesetzgebungsverfahren oder andere konkretisierende Regelwerke. Eine Übertragung der Maßstäbe für das Führen von Kraftfahrzeugen auf das Führen von Fahrrädern oder E-Scootern sei wegen des unterschiedlichen Gefahrenpotentials nicht möglich. Das Fehlen rechtlicher Maßstäbe könne zu unverhältnismäßigen Verboten führen. Das Gericht hob ein gegen den Kläger gerichtetes Fahrverbot auf.
Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Regelmäßiger Entzug der Fahrerlaubnis nach Trunkenheitsfahrt mit dem E-Scooter.
Bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter ist die Fahrerlaubnis in der Regel zu entziehen, weil die Regelvermutung für die Fahruneignung des § 69, Abs. 2, Nr. 2 StGB greife. Laut dem Oberlandesgericht Frankfurt (OLG Frankfurt a. M.) kann zur Widerlegung der Regelvermutung nicht geltend gemacht werden, es handele sich um ein Elektrokleinstfahrzeug. Auch das Argument eines angeblich geringeren Gefährdungspotentials gegenüber einem Auto überzeuge nicht (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 08.05.2023 - 1 Ss 276/22). Das Gericht hob ein Urteil des Amtsgerichtes nach der Sprungrevision des Amtsanwaltes auf, das keinen Entzug der Fahrerlaubnis ausgesprochen hatte. Die Fahrerlaubnis sei zwingend zu entziehen, "wenn sich aus der Tat ergibt, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist" (§ 69, Abs. 1, S. 1 StGB). Die Begehung einer Trunkenheitsfahrt begründe eine Regelvermutung für die Ungeeignetheit des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen (§ 69, Abs. 2, Nr. 2 StGB). Nun muß neu verhandelt werden.
Geringeres Gefährdungspotential des E-Scooter ist nicht gegeben.
Daß der Angeklagte nicht Auto, sondern E-Scooter gefahren sei, sei unerheblich. Nach der Wertung des Verordnungsgebers seien auch Elektrokleinstfahrzeuge – wie E-Scooter - Fahrzeuge (§ 1 eKFV) und unterlägen damit den für sie geltenden allgemeinen Vorschriften. Auch das Argument, das Gefährdungspotential sei bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter geringer als bei einer solchen mit einem Auto, überzeuge nicht. Der Sturz eines Fußgängers oder Radfahrers infolge eines Zusammenstoßes mit dem E-Scooter könne ganz erhebliche, unter Umständen sogar tödliche Verletzungen verursachen.
Landgericht Oldenburg: Auch einem betrunkenen Mitfahrer kann die Fahrerlaubnis entzogen werden.
Das LG Oldenburg hat entschieden, daß auch einem betrunkenen Mitfahrer im Falle eines E-Scooters die Fahrerlaubnis entzogen werden kann. Allein das Festhalten am Lenker stelle bereits das Führen eines Fahrzeugs dar ( LG Oldenburg, AZ: 4 Qs 368/22).
Rechtsanwalt Holger Hesterberg, Wolfratshausen.
Bundesweite Tätigkeit. Mitgliedschaft im Deutschen Anwaltverein.
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